Guten Morgen!
So eine richtige Frage habe ich nicht, ich möchte einfach gerne mal meine Geschichte los werden, da ich aktuell nur mit sehr wenigen Menschen darüber sprechen kann. Ich bin seit etwas mehr als einen Monat mit meinem neuen Freund (ein Soldat) zusammen, der PTBS hat. Aufgrund gewisser Umstände, die nichts mit der Krankheit PTBS zu tun haben, ist unsere Beziehung noch recht geheim, es wissen nur sehr wenige Menschen davon. Aus meinem Umfeld wissen nur zwei Freunde davon, die ich aber auch nicht ständig mit meinen Problemen belasten möchte. Aus seinem Umfeld wissen es nur seine Eltern.
Ich kannte ihn schon vorher über ein Jahr, seine Krankheit habe ich aber erst in den letzten Monaten kennengelernt, also seitdem wir engeren Kontakt haben. Es ist für ihn wohl ein Riesenschritt, dass er sich nach fast neun Jahren Krankheit Freunden, die nichts mit der Bundeswehr zu tun haben, überhaupt anvertraut und etwas über seine Krankheit und sein Erlebtes erzählt. Zudem ist er seit letztem Sommer in einer Therapie, soweit ich weiß, das erste Mal in den neun Jahren. Also, er hat sich die Krankheit nun wirklich eingestanden und ist bemüht, sie zu "bekämpfen".
Als ich angefangen hatte, mich in ihn zu verlieben, wusste ich noch nichts von seiner Krankheit. Im Alltag versucht er sie so gut es geht zu verbergen, was ihm wirklich gut gelingt. Wenn er mal schlecht drauf ist und es nicht verbergen kann, denken sich die anderen Menschen wahrscheinlich nicht so viel, weil jeder mal einen schlechten Tag hat. In unserem gemeinsamen Umfeld weiß fast niemand von seiner Krankheit. In seiner Familie weiß es niemand, nicht mal seine Eltern oder seine beiden Kinder (sind beide um die 20 Jahre alt).
Nach und nach merke ich, was es bedeutet, mit einem PTBS-Betroffenen zusammen zu sein. Versteht mich nicht falsch, ich bin nach wie vor bereit, die Beziehung weiterzuführen und merke immer mehr, wie wichtig er mir in der kurzen Zeit schon geworden ist, aber manchmal ist es als Angehörige schon schwierig mit der Situation umzugehen.
Er kann beispielsweise nur schwer mit Kritik umgehen. Wenn er merkt, dass ich mich gerade etwas stört, will er natürlich unbedingt wissen, was es ist. Wenn ich es ihm dann sage, kann er nur sehr schwer damit umgehen und hat gleich das Gefühl, dass er alles falsch macht und mir nicht gerecht werden kann. Gestern Abend war wieder so eine Situation. Ich habe ihm dann kurz ein paar Minuten Zeit gegeben und bin dann wieder auf ihn zugegangen und konnte ihm seine Gedanken nehmen.
Zudem hat er extreme Schlafstörungen. Nachts ist wohl die schlimmste Zeit des Tages für ihn, da er das Erlebte dann immer wieder durchlebt. Daher ist es ihm aktuell noch nicht möglich, dass ich bei ihm übernachte, nichtmal im Nebenraum auf dem Sofa. Er meint, dass das noch Zeit bräuchte, bis er das zulassen kann. Die gestehe ich ihm natürlich ein und versuche möglichst verständnisvoll zu sein. Trotzdem frage ich mich insgeheim, ob er das wirklich jemals zulassen kann. Sonst könnten wir niemals irgendwann mal zusammenziehen oder auch nur mal in den Urlaub gemeinsam fahren. Das sind so die ersten Dinge, die mir durch den Kopf gingen, als wir darüber gesprochen haben.
Er hat aktuell noch ein bis zwei Mal die Woche sehr schlechte Momente, die kommen eigentlich immer, wenn ich nicht da bin. Er bringt sie dann meistens so zum Ausdruck, dass er mich bei WhatsApp anschreibt und Streit mit mir sucht, mir teilweise dann wirklich schwerwiegende und absurde Dinge vorwirft. Ich weiß, dass er dann in seiner Spirale ist und dann nicht er sondern die Krankheit aus ihm spricht, trotzdem sind diese Momente echt noch schwierig für mich. Ich muss erst noch lernen damit umzugehen. Dieses Streitsuchen und Vorwürfe an den Kopf knallen sind seine Art Hilferuf in diesen Momenten. So hat er mir mal erklärt, als er wieder "normal" war. Ich nehme mal an, dass er mich dafür aktuell immer aussucht, weil er damit sich selbst am meisten verletzen kann. Wenn es mir möglich ist, fahre ich dann zu ihm. Von Angesicht zu Angesicht löst sich seine Anspannung sehr schnell wieder und er hat sich wirklich sehr schnell beruhigt. Aber ich kann natürlich auch nicht jedes Mal sofort losfahren, die Zeit hat man ja nicht jedes Mal im Alltag.
Ich versuche für ihn dazu sein, wenn er mich braucht und ihn dann einfach nur zuzuhören, ohne Druck aufzubauen. So gut es geht, versuche ich die Krankheit trotzdem aus unserer Beziehung auszuklammern, damit es möglichst "normal" ist, aber es gibt einfach immer wieder Momente oder Dinge, die durch die PTBS eingeschränkt sind. So ein bisschen habe ich die Krankheit aber immer oder zumindest oft im Hinterkopf, weil man dadurch immer besonders darauf achten muss, was man sagt und besonders was man schreibt.
Trotzdem weiß ich auch, dass er wirklich versucht, mir so viel zu geben, wie es ihm möglich ist. Und ich ihm wirklich sehr wichtig bin. Es ist auch erst sein zweiter Beziehungsversuch in den neun Jahren Krankheit. D.h. die ganze Nähe ist wirklich sehr ungewohnt für ihn. Er muss auch erstmal wieder lernen, damit umzugehen und sie zuzulassen.
Ein anderes Thema ist auch noch das Verheimlichen unserer Beziehung. Wenn es irgendwann mal rauskommen sollte, wird es auf jeden Fall erstmal etwas Gegenwind von mehreren Seiten geben. Aktuell ist er noch nicht stabil genug, um damit klarzukommen, denke ich. Es wirkt aber auf mich auch so, dass es ihm ganz lieb ist, wenn das erstmal lange so bleibt. Erstmal ist das so okay für mich, aber ich kann mir vorstellen, dass diese Heimlichtuerei sicherlich irgendwann nur noch nervig und anstrengend für mich ist, so ist es jetzt ja manchmal schon, weil es uns einfach manchmal einschränkt.
So das war erstmal alles, was ich loswerden wollte. Vielleicht macht sich ja jemand die Mühe und liest es sich durch.